Andacht zum Beginn der Passionszeit

Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre. (1. Joh. 3,8)

Liebe Leserin, lieber Leser!

„Glauben Sie an den Teufel?“ hat mich vor längerer Zeit mal ein Konfirmand gefragt. Ich wusste, er war neugierig auf spiritistische Spiele wie Gläserrücken. So eine dunkle Macht hat ihn damals fasziniert. Ich hab geantwortet: „Als Christ glaube ich nicht an den Teufel, sondern gegen ihn.“ Ein bisschen spitzfindig, sophistisch, so hab ich mir damals gedacht.

Die Anfrage bleibt, gerade wenn ich das 2. Kapitel im Buch Hiob lese. (Sehen Sie die 13 Verse doch einmal im Zusammenhang in Ihrer Bibel an!) Es stellt Anfragen an unser Gottesbild. Der Satan, er wird da immerhin als einer der „Gottessöhne“ bezeichnet (v. 1). Er ist unter Gott, auch wenn er gegen ihn opponiert. Er provoziert Gott, Hiob mit allen möglichen Plagen zu quälen. Und der schließt mit ihm eine Art Wette ab (v.3-6). Das ist schon eine Anfechtung für mein Bild von Gott: Er wettet um die Frömmigkeit von Hiob und setzt ihn dem Teufel aus. Wie kann ich mich da auf seine Güte und Gnade verlassen?! Immerhin: In der Geschichte von Hiob ist die alte Ansicht aufgehoben, wer leidet und krank ist, wäre von Gott für irgendetwas gestraft. Hiob ist ein ganz rechtschaffener Mann und hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Es gibt nicht die Frage: „Was habe ich denn Böses getan, dass mir so etwas auferlegt wird?“ Und auch nicht die umgekehrte These: „Wem es in der Welt und auch materiell gut geht, der steht auch vor Gott gut da.“ Der Teufel jedenfalls ist – trotz der eigenartigen Wette – Gott nicht ebenbürtig. Gott überwindet ihn. So wird es auch am Ende des Hiobbuchs berichtet (42,7-16). Er ist „Gottes Teufel“, wie Martin Luther gesagt hat.

Für das Judentum sind die weisheitlichen Schriften wie das Hiobbuch nicht „Gottes Wort“ wie die Tora und die Propheten. Sondern sie zeigen, wie Menschen sich auseinandersetzen mit ihm. Unter diesem Blickwinkel können wir bei Hiob einiges für unser Leben und Glauben lernen. 35 Kapitel lang debattieren vier Freunde mit Hiob darüber, wie sein Leid mit Gott zusammenhängt, und dass er doch endlich sein Unrecht zugeben sollte. Aber schon hier am Anfang sagt er einen Satz, mit dem er das Leben in seiner ganzen Zwiespältigkeit aus Gottes Hand nimmt: „Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?“ (v.10b) Sicher, er sagt das ziemlich schroff zu seiner Frau, die ja sein Leiden teilt. In Kapitel 1, wo er all die brutalen Hiobsbotschaften hört, die ihm die Existenz und seine Kinder rauben, redet er noch frömmer: „Der Herr hat´s gegeben, der Herr hat´s genommen; der Name des Herrn sei gelobt!“ (1,21b) Wer kann sich im Unglück so am Glauben festhalten, ja sogar Gott loben?! Die dritte Strophe von Dietrich Bonhoeffers Gedicht von den „guten Mächten“ traue ich mich nur selten, bei Beerdigungen singen zu lassen: „Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern, des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern aus deiner guten und geliebten Hand.“ Ja, ein Halt ist das schon, wenn man trauert, krank ist oder um jemanden bangt. Es verbindet uns mit Menschen wie Hiob, die auch ganz Schlimmes im Glauben getragen haben.

Die menschliche Seite des Glaubens zeigen hier (v. 11-13) auch die drei Freunde Hiobs, die zu ihm kommen und mit ihm trauern. Sie besuchten ihn und dann „saßen sie mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.“ (v. 13) Keine guten Ratschläge – jedenfalls da noch nicht –, sondern schweigen und das Schlimme mit dem anderen teilen. Menschliche Nähe und Gemeinschaft, das braucht einer in Krankheit oder Trauer. Hospizhelferinnen und -helfer zeigen das oft bei ihrer Sterbebegleitung. Oder auch Angehörige. Sind einfach da und halten die Hand. Als vor einigen Tagen der Mann beerdigt wurde, der einem brutalen Verkehrsunfall zum Opfer fiel, haben viele ihre Verbundenheit mit seiner Familie in der Trauer gezeigt. Jetzt kommt es drauf an, dass sie sich auch weiter kümmern. „Sieben Tage und sieben Nächte“ haben Hiobs Freunde bei ihm ausgehalten. Und dann noch länger, um mit ihm über Gott und das Leid zu reden.
Menschliche Nähe im Leid zeigen und trotz allem festhalten an Gott: Bei Hiob lernen wir, was wichtig ist in den schweren Zeiten unseres Lebens. Und im Blick auf Gott selbst wird es noch einmal verstärkt: Gott glaubt an uns. Gott glaubt an Hiob – und an all die Menschen, die sich auf ihn verlassen. In der Debatte mit dem Satan setzt er sein Vertrauen ganz auf Hiob. Als er ihn dem Teufel aussetzt: „Siehe da, er sei in deiner Hand, doch schone sein Leben!“ (v. 6) – da traut er ihm zu, dass sein Gott-vertrauen stärker ist als die Anfechtung, stärker als alles Teuflische. Gott traut dir zu, dass du es packst – auch wenn´s ganz hart kommt. Das ist die Gegenseite zu unserem Vertrauen auf ihn: Er macht uns stärker als alles Böse, alles Unheil. Unsere menschliche Größe und Würde hat in Gottes Zutrauen ihren Ursprung.

Etty Hillesum, eine niederländische Jüdin, die 1943 mit 39 Jahren in Auschwitz umgebracht wurde, schrieb in ihrem Tagebuch ein Jahr zuvor: „Das Komische ist: „Ich fühle mich gar nicht in ihren Klauen, weder wenn ich bleibe, noch wenn ich abtransportiert werde. … Ich fühle mich in niemandes Klauen, ich fühle mich nur in Gottes Armen, um es mal pathetisch zu sagen, und ob ich nun hier an meinem mir so lieben und vertrauten Schreibtisch sitze oder ob ich nächsten Monat in einer armseligen Kammer im Judenviertel hause oder vielleicht im Arbeitslager unter SS-Bewachung stehe, ich werde mich überall und immer, glaube ich, in Gottes Armen fühlen. Man wird mich möglicherweise zugrunde richten, aber man wird mir nichts anhaben können.“ Etty Hillesum hat so wie Dietrich Bonhoeffer die Würde für sich und andere behauptet, die Gott dem Hiob zugesprochen hat. Sie sagt: „Das Leiden tastet die Würde des Menschen nicht an. Ich meine damit: Man kann menschwürdig und menschenunwürdig leiden … Die meisten Menschen des Westens verstehen die Kunst des Leidens nicht und haben tausend Ängste davor. … Man muss den Tod als einen Teil des Lebens akzeptieren, auch den schrecklichsten Tod. Aber erleben wir nicht jeden Tag ein ganzes Leben, und macht es denn viel aus, ob wir ein paar Tage mehr oder weniger leben? … Ich bin bei den Hungernden, bei den Misshandelten und Sterbenden, jeden Tag bin ich dort, aber ich bin auch hier bei dem Jasmin und dem Stück Himmel vor meinem Fenster. In einem einzigen Leben ist für alles Platz.“
Sie leidet und trauert mit der Würde, die Gott uns allen zutraut. So hat Satan die Wette Got-tes mit ihm verloren, weil Gott an Hiob glaubt. Gott traut Dir zu, Dein Glück und Dein Leid im Glauben und in Würde anzunehmen.

Ist nun der Teufel für Dich oder Sie eine reale Person oder einfach eine literarische Figur? So oder so: Gott ist über ihm. Und Gott vertraut auf uns.

Dr. Ulrich Schindler
Heilsbronn

Foto: Reinhold Fröhlich

Ach bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ,
dass uns hinfort nicht schade des bösen Feindes List.

Ach bleib mit deinem Worte bei uns, Erlöser wert,
dass uns sei hier und dorte dein Güt und Heil beschert.

Ach bleib mit deinem Glanze bei uns, du wertes Licht;
dein Wahrheit uns umschanze, damit wir irren nicht.

Ach bleib mit deinem Schutze bei uns, du starker Held,
dass uns der Feind nicht trutze noch fäll die böse Welt.

Ach bleib mit deiner Treue bei uns, mein Herr und Gott;
Beständigkeit verleihe, hilf uns aus aller Not.

Text: Josua Stegmann 1627 (EG 247)