Text: Michael Grau (epd) | Fotos: Jens Schulze
Loccum/Kr. Nienburg. Landesbischof Ralf Meister aus Hannover ist neuer Abt des traditionsreichen Klosters Loccum bei Nienburg. Der 58-jährige Theologe wurde am Sonnabend in einem festlichen Gottesdienst in der Klosterkirche in sein neues Amt eingeführt. Meister tritt die Nachfolge von Horst Hirschler (87) an, der das Amt 20 Jahre lang innehatte. Bei der Feier nahm er Abtskreuz, Krummstab und Abtsring als Zeichen des Amtes entgegen.
Wegen der Corona-Pandemie war die Zahl der Festgäste auf 160 beschränkt. Unter ihnen war auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der ein Grußwort sprach. Die katholischen Bischöfe Franz-Josef Bode aus Osnabrück und Heiner Wilmer aus Hildesheim und beteiligten sich an der Gestaltung der Feier. Eigentlich sollte die Einführung schon im Mai stattfinden, sie wurde aber aus Gründen des Infektionsschutzes verschoben.
Meister würdigte Hirschler bei der Feier als „Baumeister des Herrn“: „Wir verdanken ihm so vieles an diesem Ort.“ In seiner Predigt rief er zu einer Verbindung von Glauben und Vernunft auf. Dafür stehe seit Jahrhunderten das Kloster Loccum. Es komme darauf an, aus der Geschichte zu lernen, Unrecht zu erkennen und für eine bessere Welt zu arbeiten. „Vernunft ist mehr als bloße Logik“, betonte der neue Abt. „Sie ist die verantwortliche Weise, mit der Welt umzugehen.“
Das Kloster gilt als spirituelles Zentrum der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, der größten protestantischen Landeskirche in Deutschland. Es wurde im Jahr 1163 von Zisterzienser-Mönchen gegründet und ging um das Jahr 1600 zum evangelischen Glauben über. Seither leben keine Mönche mehr im Kloster, stattdessen werden dort Pastoren und Pastorinnen ausgebildet. Meister wird das Amt parallel zu seinen Aufgaben als Landesbischof in Hannover ausüben. Er wird der 65. Abt des Klosters sein und der 19. seit der Reformation.
Der Abt leitet den 14-köpfigen Konvent, zu dem Theologen und Juristen gehören und der für die Geschicke des Klosters verantwortlich ist. Das Amt ist heute an eine Person geknüpft, die das bischöfliche Amt ausübt oder früher ausgeübt hat. Durch eine Verfassungsänderung, die das Kloster im August beschloss, können künftig auch Frauen in den Konvent berufen und somit Äbtissin werden.
Hirschler, der von 1988 bis 1999 Landesbischof war, hatte Anfang Januar beim traditionellen Epiphanias-Empfang der hannoverschen Landeskirche in dem Kloster seinen Rücktritt bekanntgegeben. Er hatte das Amt am 4. Juni 2000 von seinem inzwischen verstorbenen Vorgänger Eduard Lohse übernommen.
Doch während seine Amtsvorgänger außerhalb von Loccum lebten und nur besuchsweise hierher kamen, kaufte Hirschler – als Landesbischof bereits im Ruhestand – mit seiner Frau ein Haus im Ort, um dort ganz präsent zu sein. „Das war wie eine Rückkehr in alte Zeiten“, sagt der Prior des Klosters, Arend de Vries, der zugleich Geistlicher Vizepräsident des Landeskirchenamtes in Hannover ist. „Er war, auch wenn er ein Haus in Loccum hatte, mehr oder weniger im Kloster zu Hause.“
Im Dorf erlebten die Loccumer nun einen volksnahen Abt, der im Laden nebenan einkaufen ging und auch im Feuerwehrhaus predigte. Als einmal eine Kindergruppe ins Kloster kam, kniete sich Hirschler hin und begann, den Boden zu schrubben. So habe er zeigen wollen, was das klösterliche Motto „Ora et labora!“ („Bete und arbeite!“) bedeute.
Hirschler, der vor seinem Theologiestudium eine Lehre als Elektriker absolvierte, organisierte Führungen und Konzerte, machte das Kloster zu einem touristischen Anziehungspunkt. 2013 leitete er die Feiern zum 850-jährigen Klosterjubiläum, als von März bis Oktober rund 165.000 Besucher nach Loccum strömten. „Ich will es nicht Arbeit nennen, ich bin einfach ununterbrochen tätig“, sagte er. Hirschler schob auch die noch laufende Grundsanierung des Klosters an, das bis 2021 für 29 Millionen Euro generalüberholt und erweitert wird: „Das soll für die nächsten 250 Jahre halten.“
Den alten Abtstab hatte der letzte katholische Abt einfach mitgenommen, als er 1634 das Kloster verließ. Der silberne Krummstab mit der Weinranke, den D. Horst Hirschler am Sonnabend ein letztes Mal tragen wird, versieht bereits seit 338 Jahren seinen Dienst. Abt Gerhard Molanus bekam ihn 1682 geschenkt.
Die Gemeinschaft Evangelischer Zisterzienser-Erben in Deutschland gratuliert dem 65. Abt Ralf Meister herzlich und freut sich auf viele Begegnungen. Sie wünscht dem „Ehren-Abt“ D. Horst Hirschler ein gesegnetes Loslassen, viel Gesundheit und fürderhin ein aktives Mitwirken in unserer Gemeinschaft.