Kantate
Kantate – der Name des vierten Sonntags nach Ostern benennt eine wesentliche Lebensäußerung unseres Glaubens. „Kantate – Singt!“ Uns Christen braucht man das nicht zweimal zu sagen. Kein Gottesdienst, in dem nicht gesungen würde! Eigentlich! Denn seit mehr als einem Jahr ist der Gemeindegesang in den Kirchen untersagt. Wegen der Infektionsgefahr durch das Corona-Virus ist das eine notwendige, aber schmerzliche Regel, die dem Wesen des Gottesdienstes widerspricht. Auf die Choräle brauchen wir dennoch nicht zu verzichten. Sie werden von der Orgel, vom Kantor, von der Kantorin oder von einer kleinen Schola vorgetragen, und wir können die auf einem Zettel abgedruckten Liedtexte im Stillen mitsingen. „Ich singe dir mit Herz und Mund“, hatte Paul Gerhardt gedichtet. Wenn der Mund schweigen muss, können die Töne und Worte beim Hören wenigstens im Herzen zum Klingen kommen. Auch dabei können sich ganz neue und schöne Erfahrungen mit unseren Kirchenliedern einstellen. Aber natürlich warten wir dringend auf den Zeitpunkt, wo wir wieder unbeschwert gemeinsam singen können.
Denn, wie gesagt, das Singen ist eine wesentliche Lebensäußerung unseres Glaubens, die für den Gottesdienst unverzichtbar ist. Das ist von Anfang an so gewesen. „Mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen“, heißt es im Kolosserbrief in Bezug auf die gottesdienstlichen Versammlungen. Das hat seinen Ursprung im Kultus des Volkes Israel. „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder“, so lautet der Wochenspruch für den Sonntag Kantate (Ps 98, 1), eine Aufforderung, die sich so oder ähnlich häufig in den Psalmen des Alten Testaments findet. Diesen Ruf nehmen wir in unseren Gottesdiensten auf und tun damit einen wichtigen Dienst. In einer Welt, in der wir immer wieder durch laute Töne und schrille Missklänge aufgestört werden, stimmen wir mit Dank und Freude, mit Bitten und Klagen den Lobpreis Gottes an und singen uns selbst und anderen das Evangelium ins Herz. Welch positive Wirkung das hat, hat schon Martin Luther beschrieben: „Durch Gottes heiliges Wort, mit süßem Gesang ins Herz getrieben, werden wir gebessert und gestärkt im Glauben.“
Solche guten Erfahrungen kennen wir auch aus unseren klösterlichen Gemeinschaften und Kommunitäten, und auch unsere Jahrestreffen der Evangelischen Zisterziensererben sind davon geprägt. Wenn wir in den vier Tagzeitengebeten die Psalmen und Hymnen anstimmen, werden unsere Herzen weit, und wir spüren etwas von dem Trost und der Kraft des Glaubens.
Darum: „Kantate!“ Nicht nur am Sonntag. Sondern als eine Lebensform „coram Deo“. Oder wie es der Psalmbeter sagt: „Ich will dem Herrn singen mein Leben lang und meinen Gott loben, solange ich bin.“
(Ps 104, 33 und EG 340)
Mit herzlichen Grüßen und Wünschen
Christian Klatt
Altprior des Klosters Amelungsborn