Gott hat uns eine Stätte bereitet, in der er auf uns wartet. Wir sind Erwartete.

Vortrag von Fr. Aloysius Maria Zierl OCist beim 30. JAHRESTREFFEN DER GEMEINSCHAFT EVANGELISCHER ZISTERZIENSERERBEN, 23. April 2024, Kloster Altenberg

Einleitung

Es sind Menschen, die eine Hoffnung haben, Menschen, die eine Sehnsucht tragen. Die ein Herz haben, das lieben will und die wissen, dass dieses Leben nicht genügen kann für ihre Liebe. Und so machen sie sich auf: getragen von Hoffnung und Sehnsucht. Und sie beginnen ein Werk. Wer nur das Leben hier – das nicht verneint, sondern froh bejaht werden muss – sieht, der fängt nichts Großes an. Denn jene Menschen, Bauleute und auch Mönche, die einen Klosterbau begonnen haben, wussten, dass sie in ihrer Lebenszeit nie das fertige Kloster, die fertige Kirche sehen werden. Und doch haben sie begonnen. Weil sie wussten, dass sie es erleben werden – von der anderen Welt aus; von der Gemeinschaft mit dem aus, auf den sie ihre Hoffnung und ihre Sehnsucht setzten, für den sie leben wollten, mit ihren Klagen und Schmerzen, ihrem Unvermögen und ihrer Einsamkeit. Aber für den sie auch gelebt haben mit ihren Freuden, mit der Erfüllung, die ihnen Anteil gab an der großen Fülle dessen, was sie erwartet und erhofft haben.

Der Ort, den die begannen zu bauen, sollte ein Ort der Begegnung sein: dem Leben begegnen. Gott begegnen, der Leben in Fülle ist und pures Leben. Auch wenn sie wussten, dass sie das Ende der Baustelle nicht hier erleben werden: für die anderen, die Nachkommenden, haben sie gebaut. Damit auch jene das Feuer der Liebe hier an diesem Ort erleben können, damit jene, die nachkommen, das Feuer lebendig halten, die Flamme der Liebe weitergeben. „Wer mir nahe ist, ist dem Feuer nahe“. Es waren Menschen, deren Herz offen war – für Gott, für die Brüder, die sie noch gar nicht kannten.
Fernand Pouillon beschreibt dies auf wunderbare Weise in seinem Roman Singende Steine, in welchem er (fiktiv) den Bau der Abtei Le Thoronet erzählt.
Jene wollten leben. Und zwar schon hier, nicht nur im Jenseits. Aber auch nicht nur im Diesseits. Davon geben die Kathedralen und Kirchen, die Klöster und Kreuzgänge Zeugnis: dass das hier nicht alles ist. Dafür gibt unser Orden, geben all die Schwestern und Brüder Zeugnis: dass das nicht alles ist.

Unsere Klöster und Kirche sollen Orte sein, die die Herzen füllen. Das Herz jedes einzelnen, aber auch der Gemeinschaft.

In einem ersten Teil möchte ich mich eher theoretisch und geschichtlich/architektonisch an dieses Thema, den Raum, heranwagen. Wenn ich hier nun von Kloster spreche, dann gilt dies, das möchte ich vorwegschicken, nicht nur für das, was wir gemeinhin als Klöster verstehen. Ihnen sind Stätten anvertraut, die historisch und geistlich mit Klöstern unseres Ordens verbunden waren und sind. Deshalb dürfen wir es, das wage ich kühn zu sagen, auch auf unsere Kirchen beziehen, die heute nicht mehr (lebendige) Klosterkirchen sind. Denn es waren und sind ja weiterhin, durch Sie, durch uns, durch alle Menschen, die dorthin kommen um zu beten oder irgendwie im weitesten Sinn mit dem Göttlichen in Verbindung zu kommen, Gotteshäuser, Orte der Begegnung mit Gott, Orte des Heimkommens, im Wissen, Hoffen oder gar nicht – des Erwartetwerdens.
Wenn wir uns mit Liturgie und Raum beschäftigen, so ist das im klösterlichen Kontext ein weites Feld: denn das gesamte Kloster ist für Benedikt – und somit auch für die Zisterzienser – Haus Gottes. Mit Jakob können und sollen wir sagen: Non est hic aliud nisi Domus Dei et porta coeli (Gen 28,17). Kein Ort im Kloster ist für Benedikt ausgespart in der Begegnung mit Gott: das Oratorium, das Refektorium/der Speisesaal, die Werkstätten, die Pforte – ja sogar im Garten soll sich der Mönch in Gottes Gegenwart wissen (Kap 7, 12. Stufe). Ich nehme jetzt, über die regula hinausgehend, noch den Kreuzgang mit seinen Räumen dazu. Denn überall findet Liturgie statt: geordnetes Gebet, sich Hineinversetzen in die Gegenwart Gottes. Denn das ist für Benedikt ja so zentral: dass wir stets in der Gegenwart Gottes leben, leben sollen, und ihn nie vergessen dürfen (RB 7,10; 1. Stufe der Demut).