Gedanken zum Advent

„Frohes neues Jahr!“ Diesen Gruß sagen wir uns gegenseitig am 1. Januar. Er würde aber auch zum 1. Advent passen. Denn mit der Adventszeit beginnt ein neues Kirchenjahr. Kirchliche Insider wissen das auch. Aber für unser religiöses Erleben oder liturgisches Handeln spielt das kaum eine Rolle.

In meiner Heimatstadt Hannover habe ich das in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts anders erlebt. Da lud der Evangelische Stadtjugenddienst die Jugendgruppen der Gemeinden jeweils am Vorabend des 1. Advent zu einem Gottesdienst in die zentrale Marktkirche ein. Das war immer ein gut besuchter Auftakt zum neuen Kirchenjahr. Und wir wussten im voraus: Die Predigt wird über die neue Jahreslosung gehalten, die nicht erst ab 1. Januar, sondern ab 1. Advent das biblische Leitwort für die nächsten Monate sein sollte.

Auf diese Weise wurde uns das Kirchenjahr als ein geistlicher Zeitraum ins Bewusstsein gebracht, der sich nicht nach dem Kalenderjahr richtet, sondern nach dem, was Gott uns schenkt und mit uns vorhat. Jochen Klepper hat unter seinen „Geistlichen Liedern“, die im Büchlein „Kyrie“ versammelt sind, auch eins mit dem Titel „Das Kirchenjahr“ geschrieben. Es beginnt mit den Worten „Du bist als Stern uns aufgegangen“ und endet mit den adventlichen Versen „Kein Jahr von unserer Zeit verflieht, / das dich nicht kommen sieht.“ Das ist in wenigen Worten eine theologische Aussage von umfassender Weite: Der „adventus“, die Ankunft des Herrn ist nicht nur auf die Vorweihnachtszeit beschränkt, sondern steht als Verheißung über allen Jahren unseres Lebens! In allen Höhen und Tiefen, die wir persönlich erleben, und ebenso in allen Turbulenzen und Erschütterungen des Weltgeschehens ringsum ist dies die tröstliche Gewissheit: Unser Herr kommt, und wir gehen ihm entgegen. So stimmen wir gern in die Bitte des Adventsliedes mit ein: „Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist“ – eine Bitte, die dem alten Motto der Zisterzienser eine adventliche Note gibt: „Die Tür steht offen, das Herz noch mehr“ („Porta patet, cor magis“).

Ich wünsche Ihnen allen ein frohes, behütetes und gesegnetes Kirchenjahr!

Christian Klatt
aus Springe am Deister
Superintendent i. R.
Altprior des Klosters Amelungsborn

Alles, was ihr tut,
geschehe in Liebe.
JAHRESLOSUNG AD 2024
1 Ko 16,14

Foto: Birgit Birth, Loccum